Der Stoneman Glaciara

Das Abenteuer: 127 Kilometer, 4700 Höhenmeter, 1 Tag, 2 Bronzemedaillen-Gewinner der E-Mountainbike Weltmeisterschaft 2022 und je 1 E-Bike Batterie.

Die Batterieanzeige blinkt rot und die Steigung will kein Ende nehmen. Warum nur befindet sich der letzte Checkpoint auf der Mossfluh, ärgern wir uns über die Extra-Runde, die unsere Akkus nahe an die Nullprozent-Marke treibt. Die Antwort ist einfach: Stoneman-Gründer Roland Stauder versteht sein Handwerk und weiss, dass sich die Zusatzschlaufe für den Blick auf den Aletsch-Gletscher mehr als lohnt. Uns treibt sie aber aufgrund der schmelzenden Batterie-Reserven zunächst den Angstschweiss in den Nacken, bevor die Freudentränen folgen, als wir den Aletsch-Gletscher im Sonnenuntergangslicht erblicken.

Den Mutigen gehört die Welt

Unser Vorhaben ist so simpel wie ambitioniert: Wir wollen die 127 Kilometer und 4700 Höhenmeter des Stoneman Glaciara an einem Tag mit einer E-Bike Batterie bezwingen. Das tönt selbst in unseren Ohren verrückt und genau deshalb wollen wir es wagen. Wir, das sind Nathalie Schneitter und Joris Ryf, beide aus der Schweiz und beide Bronzemedaillen-Gewinner bei der E-Mountainbike Weltmeisterschaft 2022. Die Fitness für ein solches Unterfangen bringen wir also mit, aber genauso wichtig ist ein cleverer Plan. Das Akku-Management ist das A und O bei einem solchen Projekt und deshalb sind Start- und Zielort sowie die Stopps zum Nachladen unterwegs absolut zentral. Wir wählen Mörel aus Ausgangspunkt und erhalten das Starterpaket für den Stoneman-Trail im Hotel. Im grossen Überraschungspaket finden wir auch das wichtigste Puzzleteil für einen erfolgreichen Stoneman; die Stempelkarte. Sie wird uns durch die Tour begleiten und schlussendlich den Beweis erbringen, dass wir die komplette Tour absolviert haben. Wie bei einem Postenlauf muss die Karte an sechs Checkpoints abgeknipst werden, damit wir zum Schluss die Stoneman-Trophäe in Empfang nehmen dürfen.

Morgenstund hat Gold im Mund

Beim Abendessen gibts noch Teambesprechung, bevor wir uns für eine kurze Nacht ins Bett legen. Um genau 5:40 Uhr schwingen wir uns morgens in den Sattel. Es ist September und die Tage sind bereits kürzer als die Zeit, die wir brauchen werden. Deshalb fahren wir im Dunkeln los, mit dem Ziel, zum Sonnenaufgang bereits auf dem Breithorn zu sein. Das Hotel hat uns netterweise Frühstück bereitgelegt, doch ausser Kaffee und einem kleinen Brötchen mit viel Nutella bringen wir nichts runter. Wir schalten in den Eco Modus und nehmen die mit 1650 Höhenmetern längste Steigung des Tages in Angriff - quasi zum Aufwärmen. Erst ganz oben, als wir den Sonnenaufgang zu verpassen drohen, schalten wir in Tour+ und investieren etwas Batterie, um das Naturspektakel miterleben zu dürfen. Wenn schon – denn schon! Wenn wir so früh aufstehen, dann wollen wir den Sonnenaufgang auf 2444 Metern über dem Meer auf keinen Fall verpassen. Beim Checkpoint Breithorn weht uns ein bissig kalter Wind entgegen, der die Hände steif und die Bewegungen langsam macht. Ich bin froh, dass die Stempelkarte bereits griffbereit positioniert im Rucksack liegt und ich meine Handschuhe nicht ausziehen muss. Zwei Minuten später geht auf dem Breithorn die Sonne auf und das Morgenlicht entschädigt für alles. Obwohl wir es eigentlich längst wissen, lernen wir einmal mehr, dass sich früh aufstehen immer lohnt!

Unterwegs nach Plan

Die Abfahrt ins Binntal erscheint uns wie eine Fahrt durch den Gefrierschrank, zweimal müssen wir eine Pause einlegen, um uns hüpfend wieder aufzuwärmen. Der Trailanteil in der Abfahrt ist minimal, doch dank der Vorfreude auf ein ausgiebiges Frühstück im Restaurant Ofenhorn in Binntal hält die gute Laune an. Nach 2.5 Stunden und 1650 Höhenmetern haben wir uns ein richtiges Frühstück verdient. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, mit 50 Prozent Batterie den zweiten Checkpoint in Binntal zu er­reich­en, sodass die Akkus während des Frühstücks nochmals ausgiebig geladen werden können. 750 Watt­stunden misst eine Batterieladung bei unserem smarten System von Bosch und die 90-minütige Frühstückspause reicht, um von 50 wieder auf 75 Prozent zu laden. 90 Minuten genügen uns auch, um zu viel Kaffee zu trinken und das Frühstücksbuffet leer zu essen. Gestärkt für den langen bevorstehenden Tag sind wir nun auf alle Fälle.

 

Gerade als die Sonne das erste Mal die Talsohle küsst, fahren wir in Binntal wieder los. Gegen 10:30 Uhr wird’s dann auch endlich wärmer und wir können zumindest die Windjacke und Winterhandschuhe ausziehen. Der Rhone entlang geht es talaufwärts in Richtung Obergoms. Der Streckenabschnitt ist zwar nicht wahnsinnig spektakulär, doch das stetige Auf und Ab ist eine willkommene Abwechslung für die bereits müden Beine und wir machen schnell Kilometer, sodass wir den dritten Checkpoint in Rekingen früher er­reich­en als erwartet. Noch sind wir perfekt im Zeitplan und auch unser Batteriemanagement scheint aufzugehen.

Oder vielleicht doch nicht...

Doch bereits kurz später lehrt uns der steile und technische Aufstieg nach Bellwald, dass die einfachen Kilo- und Höhenmeter nun Geschichte sind. Der Trail ist so steil, dass wir zwischenzeitlich in den E-MTB Modus schalten müssen. Noch sind wir entspannt, denn in Bellwald haben wir den Mittagsstopp mit Ladephase eingeplant. Doch es ist Nebensaison und Bellwald ist still und leer, kein Restaurant an der Route ist geöffnet. Wir stempeln bei Checkpoint vier und fahren weiter. Obwohl bis Fiesch nur noch wenige Höhenmeter zu bewältigen sind, werden wir langsam nervös. Je später wir die E-Bikes laden, desto länger wird die benötigte Ladedauer. Um die Konzentration hochzuhalten, werfe ich mir noch ein paar Haribos ein und so meistert sich die spassige, aber knackige Abfahrt mit links. Um 13.30 Uhr sind wir endlich in Fiesch und finden ein Restaurant, das geöffnet hat. Die Frage nach zwei Steckdosen wird freundlich aufgenommen und mit den Batterien an der Steckdose und Essen auf dem Tisch entspannen wir uns langsam wieder. Mit 40 Prozent Batterieladung sind wir beim Mittagsstopp in Fiesch angekommen, weniger als wir uns gewünscht hätten. Im Wissen, dass wir ziemlich lang sitzen bleiben müssen, schlagen wir uns erneut die Bäuche voll. Als wir nach 90 Minuten mit 60 Prozent Batterieladung endlich wieder aufs E-Bike steigen, sehnen wir uns eher nach einem Mittagsschlaf als nach weiteren 1600 Höhenmetern. Wir rechnen und merken, dass zwei Drittel der Höhenmeter bereits geschafft sind. Der Gedanke stimmt uns versöhnlich.

Rund 1000 Höhenmeter geht’s von Fiesch auf die Fiescheralp. Viele Serpentinen machen die Strecke kurzweilig und wir sind froh, dass die Steigung im Eco Modus fahrbar ist. Batterie sparen heisst die Devise, denn gemäss unserer Recherchen stehen die fahrtechnisch schwierigen Streckenabschnitte, die auch mehr Motorenpower erfordern, noch bevor. Je höher wir gelangen, desto besser wird auch der Ausblick auf die andere Talseite hin zum Breithorn, wo wir am Morgen noch den Sonnenaufgang bestaunt haben. Es scheint unsagbar weit weg zu sein und einmal mehr sind wir erstaunt, wie weit man an einem Tag gelangen kann.

Schlussspurt

Um 17:00 Uhr gelangen wir durch den Tunnel zum Märjensee zum fünften Checkpoint. Langsam aber sicher spüren wir, dass wir bereits 11 Stunden unterwegs sind und über 4000 Höhenmeter in den Beinen haben. Trotzdem spüren wir einen erneuten Energieschub, als wir den Trail zurück zur Fiescheralp in Angriff nehmen. Konzentration ist gefragt. Der Trail ist exponiert, ziemlich verblockt und die steilen Gegenanstiege werden mit der merklich schwindenden Batterieunterstützung immer schwieriger zu bewältigen, ohne E-MTB-Modus geht hier gar nichts und ein zwei Mal schieben wir das E-Bike sogar. Wir entscheiden uns auf der Fiescheralp nochmals 20 Minuten zu laden, um die letzten 230 Höhenmeter zur Moosfluh noch mit 20 Prozent in Angriff nehmen zu können. Natürlich ist dies nur ein Tropfen auf den heissen Stein, doch angesichts dessen, dass uns das Tageslicht auszugehen droht, ein angemessener Kompromiss.

 

Die Batterieanzeige blinkt rot und die Steigung zur Moosfluh will kein Ende nehmen. Wir ärgern uns über die Extra-Runde, die unsere Batterien nahe an die Nullprozent-Marke treibt. Der Angstschweiss, dass wir unser Projekt vielleicht nicht schaffen, dringt langsam durch alle Poren. Doch als wir Punktgenau zum Sonnenuntergang mit 5% Batterie den letzten Checkpoint er­reich­en, weicht der Angstschweiss den Freudentränen. Der Aletschgletscher erstrahlt im goldenen Abendlicht und der Sonnenuntergang lässt die Anstrengungen des Tages von uns abfallen. Der Aletschgletscher ist mit 23 Kilometern Länge der mächtigste Eisstrom der Alpen und über ihm thronen majestätisch Eiger, Mönch und Jungfrau am Gletscherfirn neben dem Aletschhorn. Wir setzen uns auf ein Bänkchen und geniessen den Moment, den wir uns hart erkämpft haben. Insgeheim freuen wir uns auch über unser Timing: Sonnenaufgang auf dem Breithorn und Sonnenuntergang auf der Moosfluh, perfekter könnte es nicht sein!

Ende gut, alles gut

Langsam wird es dunkel, 1400 Tiefenmeter liegen noch vor uns und wir stellen uns auf ein gemütliches Ausrollen ein. Doch ein platter Hinterradreifen und etliche kleine Gegenanstiege, die uns tatsächlich absolut unerwartet überraschen, bringen uns nochmals ans nervliche Limit. Mit 1 Prozent Batterie er­reich­en wir schlussendlich das Hotel, das wieder genauso im Dunkeln liegt, wie früh morgens als wir es verlassen haben. Etwas wehmütig denken wir an die spassige letzte Abfahrt zurück, die wir gar nicht richtig geniessen konnten. Viel zu müde waren wir vom langen Tag, viel zu angespannt, ob die Batterie bis zum Schluss reichen wird. Wir sind uns einig: Den Stoneman Glaciara an einem Tag mit einer Batterie zu fahren, ist zwar möglich – doch weiterempfehlen würden wir dies nicht. Das Wallis ist landschaftlich zu schön, die Trails zu gut und das Essen zu genussvoll, um sich nicht mehr Zeit dafür zu nehmen.

Dass es für E-Biker nur einen normalen und keinen goldenen Stein gibt, wie für die Bio-Biker, die den Stoneman an einem Tag absolvieren, ist uns eigentlich egal. Wir sind stolz, als wir die Stempelkarten im Hotel abgeben und die Trophäe in Empfang nehmen und bauen diese mit der Stirnlampe auf dem Parkplatz zusammen.

Toureninfos:

Region:
Zwischen den grössten Gletschern der Alpen, imposanten Viertausendern und jahrhundertealten Bergdörfern führt der Stoneman Glaciara durch die Bilderbuchlandschaft des Schweizer Kanton Wallis. Die Länge und Anzahl der einzelnen Etappen mit insgesamt 127 Kilometern 4700 Höhenmetern kann man individuell wählen. Die Drei-Tage-Variante eignet sich perfekt als Genuss-Tour um die landschaftlichen Highlights und die lokale Kulinarik zu geniessen.

Website:
www.stoneman-glaciara.com

Anforderung:
Gute Fahrtechnik erforderlich, Weg teilweise ausgesetzt. Grosser Teil der Route führt aber über Kiesstrassen, die für alle Niveaus gut fahrbar sind.

Distanz und Höhenmeter:
127 Kilometer, 4700 Höhenmeter

Starterpakete:
Gäste der 23-Partnerhotels erhalten diese direkt im Hotel. Externe Gäste bei den offiziellen Ausgabestellen. Alle Partner sind auf der Website auffindbar.

Tourenplanung:
GPX-Track und Infos zur sinnvollen Routeneinteilung gibt’s auf der Website. Die Tour wird gegen den Uhrzeigersinn gefahren. Eine Routenkarte gibt’s im Starterpaket und die Route ist komplett beschildert.

Checkpoints:
Im Starterpaket findet sich die Stempelkarte, die bei den sechs Checkpoints abgestempelt werden muss: Breithorn, Binn, Reckingen, Bellwald, Märjela, Mossfluh

Saison:
Juni – Oktober, je nach Wetterbedingungen

Mögliche Etappen:
Etappe 1: Mörel – Ernen / 42.9 Kilometer / 1990 Höhenmeter
Etappe 2: Ernen – Fiesch: 34.9 Kilometer / 770 Höhenmeter
Etappe 3: Fiesch – Mörel: 49.3 Kilometer / 1940 Höhenmeter

Unterkunft

Einkehrtipps:

Stoneman-Trophäen:
Registrierte Bio-Biker, die den Stoneman an einem Tag schaffen, erhalten eine Steinmännchen-Trophähe in Gold. Für zwei Tage gibt es silber, für drei Bronze. Für E-Biker gibt’s als Erinnerung eine Trophäe aus Naturstein. Grund genug, um den Stoneman Glaciara als Genusstour zu fahren.

Lademöglichkeiten:

Das Laden in Restaurants mit dem eigenen Ladegerät ist kein Problem. Schlüssel des E-Bikes unbedingt mitnehmen, das Laden einzelner, entnommener Batterien ist unkomplizierter als wenn sich der Akku noch im E-Bike befindet.
ACHTUNG: Die meisten Ladestationen verfügen noch nicht über ein Ladegerät für das Smart System von Bosch E-Bike Systems.